Neues zur Umsatzsteuerpflicht in der Versicherungsvermittlung

Das Versicherungsjournal berichtet heute über ein aktuell veröffentlichtes Urteil des Bundesfinanzhofs zur Umsatzsteuerpflicht bei Vermittlung von Versicherungsverträgen.

Das Thema war hier im Blog schon am 16. Oktober angeschnitten worden. Damals wurde an dieser Stelle schon folgende Vermutung aufgestellt:

Ein Maklerpool oder ein Makler-Backoffice vermittelt nicht selbst, sondern übernimmt nur die Abwicklung von Anträgen, kassiert Versicherungsprämien oder ähnliche Dienstleistungen. Hier könnte eine Umsatzsteuerpflicht vermutet werden.

Das neue Urteil scheint lt. Presseerklärung diese Einschätzung nun zu bestätigen:

Leistungen, die sich darauf beschränken, nachgeordnete Versicherungsvertreter zu betreuen, zu schulen und zu überwachen, sind entgegen der bisherigen Verwaltungspraxis umsatzsteuerpflichtig. Dem Urteil dürfte daher erhebliche Bedeutung für den Fonds- und Versicherungsvertrieb zukommen.

Wörtlich heißt es im Urteil:

Eine weitergehende Steuerfreiheit für Leistungen, die keinen spezifischen und wesentlichen Bezug zu einzelnen Vermittlungsgeschäften aufweisen, sondern allenfalls dazu dienen, einen anderen Unternehmer, der Vermittlungsleistungen erbringt, zu unterstützen, besteht nicht.

Das könnte für Poolorganisationen, Makler-Backoffices und die oberen Ebenen von Strukturvertrieben („Gruppenumsätze“) eine schlechte Nachricht sein. Immer da, wo eine Overhead-Provision kassiert wird, ohne direkt am Abschluss von Verträgen beteiligt zu sein, könnte dann eine Umsatzsteuerpflicht entstehen.

Wie kann dann die Umsatzsteuerpflicht vermieden werden? Auch dazu gibt es eine Äußerung des Gerichts:

Die Steuerfreiheit der Betreuung, Schulung und Überwachung von Versicherungsvertretern nach § 4 Nr. 11 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer, der diese Leistungen übernimmt, durch Prüfung eines jeden Vertragsangebots zumindest mittelbar auf eine der Vertragsparteien einwirken kann, wobei auf die Möglichkeit, eine solche Prüfung im Einzelfall durchzuführen, abzustellen ist. Die einmalige Prüfung und Genehmigung von Standardverträgen und standardisierten Vorgängen reicht entgegen dem BMF-Schreiben vom 9. Oktober 2008 (BStBl I 2008, 948) nicht aus.

Ich interpretiere das so, dass der Zwischen-Vermittler jeden Antrag zumindest zu Gesicht bekommen und beurteilen können muss – das würde einen direkten Kommunikationskanal zwischen Abschlussvermittler und Produktanbieter ausschließen. Grauzonen sind denkbar: Was passiert, wenn Anträge oder Invitatio-Aufforderungen automatisiert weitergeleitet werden? Hat der Abwicklungsdienstleister dann eine Möglichkeit zur Einwirkung auf einer der Vertragsparteien?

Da AssFiNET sich aber nicht mit Rechtsberatung, sondern mit Software im Versicherungsmarkt beschäftigt, interessieren wir uns hauptsächlich auf die organisatorischen Konsequenzen der Steuerpflicht. Was passiert, wenn für bestimmte Arten von Provisionen eine Umsatzsteuerpflicht entsteht? Dann muss eine Softwareanwendung wie AMS.4 möglicherweise bei der Abrechnung der fälligen Umsatzsteuern unterstützen.

Das ist auf zwei Wegen denkbar:

  1. Durch statistische Auswertung: Die Auflistung aller umsatzsteuerpflichtigen Provisionen im System (verbleibender Overhead-Anteil bei Produkten, bei denen die Umsatzsteuerpflicht zutrifft) ergibt die Bemessungsgröße für die Umsatzsteuer – 19% hierauf sollte die zu entrichtende Umsatzsteuer ergeben. Da die Umsatzsteuer nicht direkt im System gebucht wird, müssen Umsatzstatistiken immer als Bruttoumsätze gesehen werden, von denen die Steuer abgezogen werden muss.
  2. Durch Buchung der Umsatzsteuer: Beim Einbuchen einer Provision werden von dem Betrag, den der Produktanbieter gezahlt hat, die Anteile für eigene Vermittler abgezogen. Es bleibt ein Ertragsanteil übrig. Auf diesen Ertragsanteil müsste die Umsatzsteuer abgezogen und als Verbindlichkeit gegen das Finanzamt gebucht werden. Folglich wären die Zahlen in Umsatzstatistiken dann Nettoumsätze.

Mit Spannung darf erwartet werden, wann die ersten konkreten Fälle auftauchen werden, in denen das Finanzamt einem Maklerunternehmen die Umsatzsteuerpflicht attestiert. Wir harren der Dinge …

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